Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

Aufforstungsprojekte

Das Wiederherstellen von Ökosystemen lernt man nicht im Klassenraum!

Am Oberstufen-Kolleg unterrichten wir Aspekte des Faches Biologie im Basiskurs Naturwissenschaften der Eingangsphase, in fächerübergreifenden der Hauptphase sowie als eines von drei Fächern in den fächerverbindenden Profilen. In Bielefeld ist das Motto „Bielefelder für Bielewälder“, in Thüringen der „Zukunftswald Unterschönau“ und mit Erasmus-Unterstützung (Chiffre: 2022-1-DE03-KA120-SCH-000110122) arbeiten wir in Galizien unter dem Motto: „Future European Forests“.

Alle Projekte thematisieren am Beispiel des Ökosystems Wald die Folgen und Szenarien des Klimawandels und wollen Handlungsmöglichkeiten nicht nur besprechen, sondern auch erproben und untersuchen. Wir haben damit die Bildung für nachhaltige Entwicklung zum Ziel.

Unser Wunsch ist es, dass Kollegiat*innen in einem Biologieunterricht der Oberstufe kein träges, isoliertes Wissen über ökologische Grundbegriffe oder das Ökosystem Wald oder naturwissenschaftliche Arbeitsweisen oder den Klimawandel erwerben, das unverbunden zu gesellschaftlichen Grundfragen z.B. des nachhaltigen Wirtschaftens steht.

Wissenschaftspropädeutik zum Anfassen – Gestalten und Verantworten mit Kopf, Herz und Hand

Wir möchten, dass Kollegiat*innen mit dem ökologischen Grundwissen das Ökosystem Wald besser verstehen und die dazu durchgeführten klassischen wissenschaftlichen Experimente und Untersuchungen zur Ökologie (des Waldes) verstehen und ähnliche planen können, um damit begründete Konzepte für Experimente zum nachhaltigen und längerfristigen Wald(um)bau* entwickeln, darstellen und kommunizieren zu können.

Bielefelder für Bielewälder“

Die geplanten Projekte setzen wir mit fachkundiger Beratung durch das Regionalforstamt OWL in Kursen, Profilen und Projekten in „Waldpartnerschaften“ kooperativ um.

  • Mit den Stadtförstern verfolgen wir an 210 Schwarznussbäumen in Olderdissen, welche Art von Verbissschutzmaßnahmen sich wie gut eignen.
  • In Schröttinghausen untersuchen wir u.a., welche Baumarten sich in einer Mischung von Waldkiefern, Schwarzerlen, Stieleichen und Schwarznüssen auf einer Kahlschlagfläche mit unterschiedlicher Bodenfeuchte im Klimawandel unter gegenseitiger Konkurrenz wie gut behaupten.
  • Am Wittenberg in der Nähe zu Werther gehen wir unter dem Stichwort „unterstützte Wanderung“ (assisted migration) auf einer Kahlschlagfläche der Frage nach, inwieweit sich trockenresistentere Bäume aus einer Region mit sommertrockenem, aber dennoch frostreichen Klima in Südtirol hier schon jetzt in einem Mischwald halten können und wie man sie am besten anpflanzt.
  • Im alten Schulgarten der Stadt Bielefeld fragen wir, inwieweit es überhaupt einen künstlichen Verbissschutz braucht, wenn man junge Rotbuchen in Gruppen in einem Dickicht aus Brombeeren pflanzt und inwieweit ein Schutzschirm aus Schwarzerlen um die Buchen herum auch als natürlicher Verbissschutz geeignet ist.

Zukunftswald Unterschönau – Exkursionen im Profil 2: „Tomorrowland“

Wir fahren mit Kollegiat*innen jährlich im Herbst nach Unterschönau in Thüringen. Dort hat die Stiftung Greenpeace gemeinsam mit den Bergwaldprojekt e.V. einen Bergwald in der Höhe von 600m bis 900m und einer Fläche von etwa 200ha erworben. Er ist dominiert von der forstwirtschaftlich typischen aber ökologisch ungeeigneten Fichtenmonokultur. Diese brechen derzeit vom Sauerland bis in den Harz durch Trockenheit, Stürme und in der Folge den Befall mit Borkenkäfern in katastrophalem Ausmaß zusammen. Kann es in Thüringen gelingen, schon rechtzeitig vor der drohenden Fichtenkalamität den Wald so umzubauen, dass das Ökosystem Wald nicht grundsätzlich gefährdet ist. Naturnaher Mischwald mit hohem Anteil von Laubbäumen sowie die Wiedereinführung der Weißtanne sind die Ziele.

Aber welche Eichen- und Weißtannenherkünfte sind für welche Standorte im Hinblick auf Höhe, Hangsteilheit und Exposition geeignet? Ist es sinnvoller, zu säen oder zu pflanzen? Wie können die jungen Bäume effektiv gegen Verbiss geschützt werden?

Future European Forests“ – Erasmus

In enger Kooperation mit den Schüler*innen und Kolleg*innen der Partnerschule Escola de Capataces Forestais haben wir in unseren zweiwöchigen Projekten zwei Arbeitsschwerpunkte. Beide entwickeln Perspektiven, wie Schulen, Gemeindeverwaltungen und Waldbesitzkooperativen Ökosysteme wiederherstellen oder für den Klimawandel resistent zu machen. Damit schaffen wir hoffentlich gute Bespiele, wie das neue EU-Gesetz (pdf) umgesetzt werden kann und welche nützlichen Fähigkeiten man dabei schon in der Schule erwerben kann. (Link)

Auf der Halbinsel O’Grove versuchen wir dort, wo derzeit eine feuergefährliche Eukalyptus-Monokultur aus den 1960er steht, den ursprünglichen atlantischen Küstenwald aus Pyrenäen-Eichen und Lorbeerbäumen zu regenerieren. Dabei unterstützt uns die Verwaltung des Nationalparks der galizianischen Atlantikinseln. In welchen Schritten ist ein Waldumbau möglich? Sollten die Bäume besser gesät oder gepflanzt werden? Welche Rolle spielen die Bodenorganismen (Bakterien und Pilze) für die Regeneration des Ökosystems.

Im Kontrast dazu steht das zweite Vorhaben. Dieses führt die Projektteilnehmer*innen in Biosphärenreservat „O Courel“. Dort sind 2022 von einem Hitzegewitter die größten und intensivsten Waldbrände seit Menschengedenken ausgelöst worden. Innerhalb einer Woche sind über mehrere zusammenhängende Täler hinweg etwa 12.500 Hektar Wald- und Heideflächen zerstört worden. Ein Kultur- und Museumsdorf wurde ausgelöscht und die Lebensgrundlage der nur etwa 1.000 verbliebenen Einwohner massiv gefährdet. Das kleine Dorf Vilamor do Courel mit seinen 42 Einwohnern und derzeit 64 Kleinrindern verfügt über 450ha aufzuforstende Wald- und Weidefläche. Genau hier wollen die Lernenden aus den Partnerschulen in den nächsten Jahren den Wiederaufbau der Ökosysteme unterstützen und in Kooperation mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (Link) untersuchen: Wie sinnvoll oder sogar gefährlich ist es für den Erhalt des Ökosystems Wald, wenn alle verbrannten Bäume abgeholzt und mit schweren Maschinen abtransportiert werden?

Wie effektiv sind Neuanpflanzungen im Vergleich zur Aussaat durch Menschen oder Eichelhäher? Solche Fragen und Untersuchungskonzepte werden in den basisdemokratischen Prozessen mit der örtlichen Waldgemeinschaft besprochen, bevor sie umgesetzt werden.

Eine Dokumentation unserer ersten Begegnung findet sich hier (Klick auf das Bild öffnet Link zu youtube Chiffre 2022-1-DE03-KA120-SCH-000110122).

Aufforstungsprojekte als Bürger*innenwissenschaft in der Oberstufe im Kontext „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (AProBOS BNE).

Im Rahmen unserer wissenschaftspropädeutischen Dokumentationen untersuchen wir die verschiedenen Flächen in den Folgejahren mit verschiedenen Kursen und Projekten und werten die Beobachtungen aus. Wir pflegen dazu auch die Flächen, bis sie sich als waldnahe Ökosysteme wieder stabilisiert haben.

Die Hoffnung ist bei diesem komplexen, projekthaften Arbeiten, dass die Kollegiat*innen*innen einen emotionalen Bezug zum und ein Gefühl von Verantwortung für ihr lokales Ökosystem (als Teil der Welt) gewinnen und nicht bloß Wissen darüber aneignen. Das Erleben von demokratisch verfasster Gestaltbarkeit der eigenen Welt liegt uns dabei in allen Projekten am Herzen.

Echte, auch wissenschaftspropädeutisch relevante Kompetenzen und ein Verantwortungsgefühl für unsere Welt können dann besser erworben werden, wenn Kollegiat*innen mit Kopf und Herz und Hand lernen, wenn man ihnen Vertrauen schenkt und wenn sie die Realität innerhalb und außerhalb der Schule wirklich mitgestalten dürfen.

Waldumbau*

Hierzu haben wir drei unterschiedliche Typen von Aufforstungsmaßnahmen in den Blick genommen, um den Wald als Ökosystem auch in Zeiten des Klimawandels zu erhalten:

Wiederaufforstungen, die insbesondere nach Kahlschlägen durch die Gefahren von Überhitzung, Austrocknung und Verbiss versuchen müssen, überhaupt wieder einen Wald zu bilden

Präventive Waldumbauten, die versuchen wollen, ein stabileres, biodiverseres Waldökosystem auszuprägen, bevor massive Störungen dieses lokale Ökosystem gefährden oder gar zerstören.

Waldneugründungen, die eine bisherige Nicht-Waldfläche, z.B. eine Brache oder eine Ackerfläche, in eine Waldfläche umwandeln. Aber auch das Pflanzen bzw. Ergänzen von Stadt- oder Alleebäumen sowie das Einrichten von Agroforstsystemen als besondere Form der Kombination aus Land- und Forstwirtschaft fallen in diese Rubrik (vgl. Schweihofen et al. 2022, S. 94f.).