Die gestreckte Eingangsphase am OS
„Wie führt man junge Menschen, die erst vor wenigen Jahren nach Deutschland eingewandert sind, zum Abitur?“ So lautet die Eingangsfrage eines Beitrags des Deutschen Schulportals der Robert Bosch Stiftung vom 21.02.2024, den Sie hier in ganzer Länge nachlesen und auch als Videobeitrag anschauen können. Das Oberstufen-Kolleg Bielefeld erprobt als Versuchsschule des Landes NRW neue Formen des Lehrens und Lernens für die gymnasiale Oberstufe. So entstand ein Curriculum für eine gestreckte zweijährige Eingangsphase mit einer gezielten Förderung in Deutsch als Zweitsprache, die auf die speziellen Anforderungen der gymnasialen Oberstufe vorbereitet.
Das Konzept
Immer wieder, erzählt Michaele Geweke, hätten vor bald zehn Jahren engagierte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in ihrem Büro gestanden, die damals vor allem junge Syrerinnen und Syrer begleiteten. Diese Jugendlichen hatten sich in Syrien schon auf dem Weg zum Abitur befunden, als sie vor dem Krieg fliehen mussten. Angekommen in Deutschland waren sie in den Integrationsklassen oft fachlich unterfordert. „Ich erinnere mich an einen jungen Mann, der mir sagte: ‚In Syrien hat mir eine Klausur gefehlt, um Abitur machen zu können.‘ Es wurden immer mehr Jugendliche, die mit ähnlichen Lebensläufen zu uns kamen. So haben wir angefangen, die gestreckte Eingangsphase zu entwickeln“, berichtet die stellvertretende Kollegleiterin.
Die zentrale Frage, auf die das Oberstufen-Kolleg eine Antwort sucht, lautet: Wie können wir die gymnasiale Oberstufe so gestalten, dass gemeinsames Lernen in Vielfalt geschehen kann und gleichzeitig alle Schülerinnen und Schüler die Unterstützung bekommen, die sie brauchen? Gerade für neuzugewanderte Jugendliche, die gute schulische Voraussetzungen und den Wunsch mitbringen, das Abitur abzulegen, schien es jedoch kaum Konzepte sowie spezielles DaZ-Material zu geben. Das Oberstufen-Kolleg versucht, das Ideal einer möglichst inklusiven Beschulung mit einer pragmatischen Vorbereitung auf die hohen Anforderungen der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe zu verbinden. Dabei muss es mit zwei Herausforderungen umgehen: zum einen mit der großen Heterogenität der Neuzugewanderten, die erst spät in das deutsche Schulsystem eintreten, und zum anderen mit einer gleichzeitig zunehmenden Standardisierung des Abiturs in Deutschland, das wenig Raum für Individualisierung lässt.